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Wenn kalte Sporthallen nur der Anfang sind

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Sportvereine in der Händelstadt sehen sich auf Grund der Energiekrise in ihrer Existenz bedroht

Noch läuft der Sportbetrieb in den meisten Vereinen wie gewohnt weiter. Das ist unter anderem möglich, da man versucht den Auswirkungen der aktuellen Energiekrise zu begegnen. Obwohl vielerorts Energiespartechniken angeschafft wurden (z.Bsp. LED-Leuchten, Bewegungsmelder, neue Fenster), zeichnet sich insbesondere bei den Sportvereinen, die ein eigenes Sportzentrum für und mit ihre/n Mitglieder/n betreiben, eine dramatische Lage ab.

Den Nachrichten mussten die überwiegend ehrenamtlich tätigen Vereinsmanager:innen in den letzten Wochen wahre Horrormeldungen entnehmen. Die Marktpreise für Gas und Strom gehen durch die Decke. Seit Juli dürfen Unternehmen per Gesetzt bei einer Gasmangellage Gaspreise kurzfristig in voller Höhe an Endverbraucher:innen weiterreichen. Im Entlastungspaket der Bundesregierung finden sich kleine Unternehmen ebenso wenig wieder wie die Sportvereine. Die für Oktober erwartete Gasumlage (2,419 Cent pro Kilowattstunde) wird vermutlich nicht ausreichen, um die gestiegenen Kosten abzufangen. Da stellen sich viele die berechtigte Frage: „Wie lange ist die Finanzierung unseres Vereines noch gesichert? Wann müssen wir den Laden schließen?“

So war es nicht verwunderlich, dass der Einladung zum „Vereinsforum Energie“ am 12. September über 40 Sportvereine gefolgt sind. Der Stadtsportbund Halle e.V. begrüßte zu der Veranstaltung die Sachkundigen René Walther (Geschäftsführer der Stadtwerke Halle GmbH), Aurel Siegel und Kirsten Schneider (Stadtverwaltung – Fachbereich Sport) sowie Dirk Meyer (Landessportbund Sachsen-Anhalt e.V. - Vizepräsident Gesellschaftspolitik und Sportinfrastruktur), von denen die hallesche Sportcommunity transparente Informationen erwartete.

Großlieferanten bilden den Gaspreis

Herr Walther erläuterte zunächst wie das Gas in den jeweiligen Heizkesseln landet und wer dazu mit wem Verträge abschließt.

Es gibt spezialisierte Gasimporteure, die mit gasliefernden Unternehmen langfristige Verträge haben. Da seit einer Weile deutlich weniger Gas am Markt angeboten wird, müssen sich die Gasimporteure nach anderen Quellen umsehen. Und hier liegt das Problem: Diese kurzfristigen Ersatzkäufe sind deutlich teurer. Die Gasimporteure argumentieren, dass sie nicht damit rechnen konnten, dass z. Bsp. Russland seine vereinbarten Mengen nicht mehr liefert. Sie sehen sich nun unverschuldet mit hohen Zusatzausgaben belastet. Der größte Konzern in diesem Bereich ist in Deutschland Uniper.

Versorger, die Gas an die Endkund:innen in Deutschland verkaufen, sind z.B. die Stadtwerke und größere Konzerne. Sie kaufen bei den Gasimporteur:innen ein und verkaufen diese Mengen dann an ihre einzelnen Kund:innen weiter. Auch die Versorger haben meist langfristige Verträge mit den Gasimporteuren.

Die Verbraucher:innen haben entweder direkt Verträge mit den Versorgern oder bekommen von Ihrer Vermieterin / Ihrem Vermieter eine jährliche Heizkostenabrechnung. Auch viele Verbraucher:innen und viele Vermieter:innen haben Verträge mit Preisgarantie abgeschlossen – dachten also oft, dass sie vor Erhöhungen wegen gestiegener Beschaffungskosten geschützt seien.

Um die Versorgungssicherheit mit Gas zu gewährleisten, hat die Bundesregierung eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes beschlossen. Das Energiesicherungsgesetz sieht zwei unterschiedliche Mechanismen vor: Das saldierte Preisanpassungsrecht und das Preisanpassungsrecht entlang der Lieferkette. Beide gesetzliche Regelungen haben das Ziel, bei extrem hohen Preisen Insolvenzen von Energieversorgungsunternehmen bzw. Gasimporteur:innen zu verhindern. Letztlich soll so weiterhin die Gasbelieferung von Verbraucherinnen und Verbrauchern gewährleistet werden.

Den ersten Preiserhöhungen des Jahres 2022 werden weitere folgen, da es ohne russisches Gas in den nächsten vier Jahren schwer werden wird, so Walther.

Stadt hat kaum Reserven und setzt auf Einsparpotentiale

Die Situation der Stadtverwaltung ist der der Sportvereine ähnlich. Sie muss ebenfalls Lösungen finden, wie sie ihre Liegenschaften unter Extrembedingungen weiter betreiben kann. Sie folgt der Energiesparverordnung der Regierung und heizt z. Bsp. die Räume öffentlicher Gebäude, in denen die Menschen vorwiegend sitzen, nur noch bis höchstens 19 Grad. In öffentlichen Gebäuden, in denen die Menschen vorwiegend stehen oder gehen und dort, wo körperlich schwere Tätigkeiten verrichtet werden, sollen die Temperaturen noch weiter fallen.

Eine Regelung für Sporthallen sieht die Verordnung indes nicht vor. Aufgrund der ständigen Bewegung und Erwärmung der Sporttreibenden wird nach DIN 18032-1 in Sporthallen eine Temperatur von 17 Grad als ausreichend betrachtet; eine Marke, an der sich die Stadtverwaltung orientieren könnte. Nach Meinung der Vereinsvertreter:innen muss geprüft werden, ob sich Temperaturen nicht je nach Nutzungsart abstufen lassen. Für Bodenturnen und Rehabilitationssport seien höhere Temperaturen nötig als für Hallen-Fußball. Herr Siegel ergänzte in diesem Zusammenhang, dass derzeit geprüft werde, in welchen Liegenschaften kurzfristig energiesparende Maßnahmen ergriffen werden können. Schließungen würden spätestens dann drohen, wenn Gesundheitsgefährdungen zu erwarten sind.

Die Stadt hat die Vereine zudem schriftlich informiert, welche kurzfristigen Maßnahmen wie beispielsweise Absenkung von Raumtemperaturen in den selbst betriebenen Sportanlagen möglich sind. Einige Vereine arbeiten bereits an mittel- bis langfristigen Lösungen. Sie möchten auf den Dächern ihrer Vereinsgebäude Solaranlagen errichten. Solche Überlegungen unterstützen die Mitarbeiter:innen des Fachbereiches Sport der Stadt Halle und ermutigen Interessierte, indem sie z. Bsp. über Förderprogramme informieren.

Die Nutzung der Sportanlagen soll kostenfrei bleiben

Zwei große Sorgen stehen weiterhin im Raum.

Wie lange stehen die Kommunalpolitiker:innen hinter dem Bekenntnis zur kostenfreien Nutzung der städtischen Sportanlagen für Sportvereinsmitglieder?

Entgegen der Forderung einiger Stadtratsmitglieder zieht die Stadtverwaltung keine Nutzungsentgelte für kommunale Sportstätten in Betracht. Der Leiter des Fachbereiches Sport der Stadt sagt dazu: „Es ist derzeit der politische Wille, die Nutzung der Sporthallen kostenfrei zu ermöglichen.“

Wie geht es mit den Betriebskostenzuschüssen, die an Sportanlagen unterhaltende Vereine und an langfristig eingemietete Vereine ausgezahlt werden, weiter?

Wenn die Betriebskosten steigen, sollten gemäß Sportförderrichtlinie auch die städtischen Betriebskostenzuschüsse steigen. Die Sportförderrichtlinie regelt den Umgang mit öffentlichen Mitteln, die über Betriebskostenzuschüsse, Zuschüsse zu Sportveranstaltungen, die Vereinshilfe und eine Breitensportkomponente dem Vereinssport zur Verfügung gestellt werden. Das Gesamtbudget der freiwilligen Sportförderung für die kommenden Jahre ist leider ungewiss. Es wird vermutlich nicht steigen. An dieser Stelle muss massive Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wenn die Sportförderung nicht im angemessenen Maße aufwächst, kann die Sportverwaltung das Engagement der Sportvereine nicht mehr zweckorientiert unterstützen. Selbst wenn alle anderen Förderzwecke zu Gunsten der Betriebskostenzuschüsse nachrangig behandelt (mit 0,00 € gefördert) würden, reichen die Mittel nicht, um den Betrieb der Vereinssportanlagen gemäß Richtlinie zu fördern.

Welche Verantwortung tragen die Sportvereine?

Im Verteilungswettbewerb um öffentliche Mittel werden es die als Freiwillige Leistungen eingestuften gesellschaftlichen Bereiche besonders schwer haben. Der Fokus muss in Krisenzeiten auf der kritischen Infrastruktur liegen. Doch wie kritisch wird es für eine Gesellschaft ohne Sport? Was haben wir aus zwei Jahren Pandemie gelernt? Angst, Einsamkeit, Depressionen, Ess- und Schlafstörungen, und Suizidalität. Fast jedes dritte Kind leidet enorm unter den Folgen der Corona-Pandemie und zeigt psychische Auffälligkeiten. Sport im Verein ist die wichtige Basis für das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Gesundheit ist ein „Identitätsanker” des Sports; die Sportvereine nehmen dabei die Rolle einer gesundheitsfördernden Lebenswelt für alle Bürgerinnen und Bürger ein.

Aus diesem Grund werden die Sportorganisationen alle erforderlichen Kräfte mobilisieren, um die drohende Schließung von Sportanlagen abzuwenden.

So gut wie klar scheint zu sein, dass die Sportvereine ihre Mitgliedsbeiträge deutlich anheben müssen. Das birgt die Gefahr, dass sich einkommensschwache Familien zunehmend zurückziehen könnten.

Am Ende des Tages war allen bewusst, dass das „Vereinsforum Energie“ zu einem steten Treffpunkt in Krisenzeiten werden wird, unabhängig davon, ob der ersehnte Energiepreisdeckel kommt oder nicht.

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