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Keine Liebe - keine reinliche Scheidung

15.07.2009 08:56
Christian Becker
Göttinger Symposium beleuchtete das ungeklärte Verhältnis von Sport und Politik
Manchmal gewinnt man den Eindruck, Sport und Politik befänden sich in einem lebenslangen Eheanbahnungsinstitut. Beide scheinen sich gegenseitig zu brauchen, doch vertrauen sie sich wechselweise nicht restlos. Und so bringen sie die Kraft weder für ein rückhaltloses Ja noch für eine saubere Trennung auf. Ihr Verhältnis bleibt also trotz aller Bekenntnisse zur Subsidiarität weiterhin ungeklärt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hatten Wolfgang Buss (Universität Göttingen) und Sven Güldenpfennig (Aachen) unter dem vielsprechenden Titel Sportpolitik als wissenschaftliche Entwicklungsregion zu einem zweitägigen Symposium über ein Dutzend Referentinnen und Referenten sowie natürlich die interessierte Öffentlichkeit an das Institut für Sportwissenschaften der Universität Göttingen geladen. Vorab: Die Mischung war gelungen. Die unterschiedlichen Perspektiven der verschiedenen sportwissenschaftlichen Disziplinen (Politik, Philosophie, Geschichte, Kulturwissenschaft, Publizistik, Ökonomie, Soziologie und Ethnologie) auf das scheinbar unentwirrbare Beziehungsgeflecht von Sport und Politik prallten nicht nur interdisziplinär aufeinander, sondern mussten sich zudem mit denen auseinandersetzen, die als Politiker, Funktionäre oder Juristen unmittelbar Verantwortung für umgesetzte Sportpolitik tragen. In der Folge entstanden rege Diskussionen, und so dürfte wohl auch jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer vielfältige Denkanstöße in den vermeintlichen Elfenbeinturm, das Büro oder in die Turnhalle respektive auf den Sportplatz mitgenommen haben. Den Anfang machte - quasi als Impulsreferat - Sven Güldenpfennig, der stringent aus der Sicht des Sports und als advocatus sportivi eine wohlbegründete Sportpolitik forderte, die einzig dem Sport zu dienen habe, und die Sportverbände zugleich eindringlich davor warnte, sich mit außersportlichen, stellvertretenden Anforderungen zu übernehmen. Wie schnell sich der Sport in Fallstricke verfangen kann, wenn er nach außersportlichen Maßstäben und Kategorien handelt und bewertet wird, machte die sich an den Vortrag von Wolfgang Buss anschließende Diskussion über den Sport im Prozess der deutschen Vereinigung deutlich. Arnd Krüger (Universität Göttingen) zeigte am Beispiel der Fußball-WM 2006 und dem Ausbruch von vermeintlicher nationaler Identität in Deutschland, dass Sport und Politik gelegentlich temporär ungeplante Liaisons eingehen können, die dann-- zumindest im Falle des deutschen Sommermärchens - allerdings von der Ökonomie als Matchmake“ befördert werden. Und Geschichte wiederholt sich doch nicht. Diesen Eindruck konnte man auf jeden Fall aus dem Referat von Diethelm Blecking (Universität Freiburg) zum Thema Sport und Migration gewinnen, der implizit der Sportbewegung der polnischen Einwanderer vornehmlich im Ruhrgebiet in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts den sportlichen Organisationsstatus türkischer Migrantinnen und Migranten in unserer heutigen Gesellschaft gegenüberstellte. Einen kulturellen Höhepunkt der gesamten Veranstaltung bildete auf jeden Fall die minutenlange Rezitation deutscher Fußballnationalspieler mit einem Migrationshintergrund- ein Umstand, dem der DFB zunehmend Rechnung trägt. Wie sehr der Sport mittlerweile ökonomisch und organisationssoziologisch global vernetzt ist und wie machtlos daher eine isolierte nationale Sportpolitik ist, legten die Vorträge von Holger Preuß (Universität Mainz) und Michael Groll (Deutsche Sporthochschule Köln) nahe. Dass der Sport bei aller Globalität in einzelnen Ethnien aber nach wie vor einen sehr eigenen, auf den ersten europäischen Blick nicht zu interpretierenden politischen Symbolgehalt hat, ließ der sehr anschauliche Beitrag des Göttinger Völkerkundlers Rolf Husmann erahnen. Wilfried Scharf (Universität Göttingen) beleuchtete die sportpolitische Macht der Medien und setzt trotz oder gerade wegen vieler bedenklicher Tendenzen hinsi