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Zunahme von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen

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Interview mit DM Gunhard Bertram
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DM Gunhard Bertram ist Oberarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara (Quelle: Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara / E. Ehm)

Als Kinder- und Jugendmediziner werden Sie in der Sprechstunde sicher häufiger gefragt, warum ein Kind Sport treiben sollte. Was antworten Sie?
Regelmäßiger Sport hat bereits im Kindesalter messbar positive Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung. Voraussetzung ist natürlich, dass der Grad der Belastung an das jeweilige Alter des Kindes angepasst ist und der Sport unter sachkundiger Anleitung ausgeübt wird. Geeignete Sportarten sind zum Beispiel die Leichtathletik, Team- und Ballsportarten wie Fußball sowie Radfahren. Auch empfehlenswert ist Wassersport wie beispielsweise das Schwimmen oder der Wasserballsport, da trotz der erwünschten körperlichen Anstrengung die Gelenke weniger belastet werden.

Warum sollte ein Kind aus Ihrer Sicht einem Sportverein beitreten?
Hier ist es wie bei uns Erwachsenen – es gilt, den „inneren Schweinehund“ zu überwinden. Wer in einem Sportverein angemeldet ist, ist auch Teil einer Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft motiviert das Kind, regelmäßig am Training teilzunehmen.

Welche positiven Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung eines Kindes hat der Sport konkret?
Sport im Kindesalter fördert die Entwicklung der Muskulatur und trägt zu einem gesunden Knochenstatus bei. Die Atemwege und das Immunsystem werden gestärkt, die Infektanfälligkeit gesenkt. Zudem fördert der Sport den Gleichgewichtssinn, das Reaktionsvermögen und die Bewegungskoordination.

Gibt es ein besonders häufiges medizinisches Problem im Kindesalter, dem mit Sport abzuhelfen ist?
Wir beobachten eine deutliche Zunahme von Adipositas mit Folgeerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, also des krankhaften Übergewichts infolge von Bewegungsmangel, Über- und Fehlernährung. Interessant ist auch der Blick auf das Freizeitverhalten. Eine aktuelle Studie der Hochschule Heilbronn zu Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 14 Jahren nennt erstaunliche Zahlen. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Kinder im Schnitt etwa fünf Stunden pro Woche Sport treiben, jedoch rund zehn Stunden am Tag mit der Nutzung von Unterhaltungsmedien jeglicher Art beschäftigt sind. Die Gewichtszunahme ist maßgeblich auf den Mangel an Bewegung zurückzuführen. Laborwerte in unserer täglichen Praxis zeigen häufig einen gestörten Stoffwechsel und daraus folgend steigt das Diabetesrisiko. Nicht zuletzt sehen wir in den letzten Jahren immer häufiger Jugendliche mit erhöhtem Blutdruck, der im späteren Leben viele Folgeerkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Demenz und Nierenversagen verursacht. Die richtige Therapie bei Adipositas umfasst sowohl geeignete sportliche Betätigung als auch eine professionelle Ernährungsberatung.

Wie ist die Situation bei Kindern und Jugendlichen mit einem chronischen Leiden. Stellt Sport hier eine gesundheitliche Gefährdung dar?
Ganz im Gegenteil. Gerade bei chronischen Erkrankungen wie Nierenleiden oder Asthma hat in der Medizin ein Umdenken stattgefunden. Statt auf Sport zu verzichten, raten wir den jungen Patienten, so häufig wie möglich in Bewegung zu sein. Welche Art von maßvoller sportlicher Betätigung ausgeübt wird, ist hierbei nicht entscheidend. Wichtig ist, sich überhaupt zu bewegen.

Welchen Rat möchten Sie aus medizinischer Sicht noch geben?
Unverzichtbar für eine gesunde Entwicklung ist die richtige Ernährung. Über- oder Fehlernährung, unter anderem durch „Fast Food“, sind ein bekanntes Problem. Hier sind zu einem guten Teil die Eltern gefordert. Unterschätzt werden auch die sogenannten Energydrinks, die angeblich leistungssteigernd wirken. Bedenklich ist vor allem der hohe Koffeingehalt. Jugendliche und leider auch schon Kinder neigen gern zu reichlichem Konsum dieser Getränke und somit zu einer Überdosierung. Die Folgen können dramatisch sein: z.B. Herzrhythmusstörungen, Kreislaufkollaps, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Krampfanfälle. Beim Sport oder danach sind daher in jedem Fall als Getränk Klassiker wie Wasser oder Tee zu empfehlen. Hat ein Kind oder Jugendlicher längere Zeit keinen regelmäßigen Sport ausgeübt oder soll eine neue Sportart mit spezifischen körperlichen Anforderungen begonnen werden, empfehlen wir zudem einen vorherigen Check-up beim Kinderarzt.

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