„Nie dagewesene Verschlechterung der Rahmenbedingungen für den gemeinnützigen Vereinssport in Halle“
Stadtsportbund Halle e.V., 14.10.2024 Am vergangenen Dienstag wurde bekannt, dass die hallesche Stadtverwaltung im Haushaltsentwurf 2025 deutliche Einschnitte zulasten des Vereinssports in Halle in Höhe von ca. 700.000 € im Jahr plant. Betroffen sind vor allem Sportvereine, die städtische Sportanlagen nutzen.


René Walther, Präsident des Stadtsportbunds Halle e.V., und Oliver Thiel, Geschäftsführer, sprechen in einem offenen Brief an den Stadtrat von einer „nie dagewesene Verschlechterung der Rahmenbedingungen für den gemeinnützigen Vereinssport in Halle“ und mahnen, dass die geplanten Maßnahmen „sowohl sozial- als auch kulturpolitisch kontraproduktiv“ seien.
Soziale Ungleichheit werde gefördert, wenn Sportvereine den finanziellen Mehraufwand durch die Erhöhung ihrer Mitgliedsbeiträge ausgleichen müssen, zumal Halle im bundesweiten Vergleich der in Sportvereinen organisierten Personen schon hinterherhinke.
Auch werde das Ehrenamt durch den bürokratischen Aufwand zusätzlich belastet und die Einführung von Kosten für die Sportstättennutzung treffe die Sportvereine zur Unzeit, da nur wenig Zeit für die Anpassung der Mitgliedsbeiträge bleibe.
Nicht zuletzt wegen der Wichtigkeit des Sports in einer Stadt, in der das Gesundheitsverhalten der Bewohnerinnen und Bewohner im bundesweiten Vergleich besonders schlecht ist, und wegen der herausragenden Stellung des Sports für Kinder und Jugendliche im Stadtgebebiet, wie sie jüngst durch die Hallesche Kinder- und Jugendstudie 2024 herausgestellt wurde, seien die geplanten Belastungen der Sportvereine im Haushaltsentwurf 2025 zu überdenken.
Der Stadtsportbund Halle e.V. ist die Dachorganisation und Interessenvertretung der in Halle ansässigen Sportvereine.
Der offene Brief des Stadtsportbundes an den Stadtrat ist auf der Website des SSB (www.sportinhalle.de) nachzulesen. / Der offene Brief des Stadtsportbundes an den Stadtrat ist im Folgenden nachzulesen:
An den Stadtrat der Stadt Halle
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Präsident des Stadtsportbundes Halle e.V. wende ich mich an Sie, um unsere Besorgnis über die im Haushaltsentwurf 2025 vorgesehenen Belastungen der Sportvereine zum Ausdruck zu bringen.
Folgende Belastungen sind geplant:
siehe Tabelle 1 und 2
Diese Gesamtbelastung in Höhe von 700,50 td € würde ein nie dagewesene Verschlechterung der Rahmenbedingungen für den gemeinnützigen Vereinssport in Halle bedeuten.
Ich möchte Ihnen mehrere Argumente darlegen, die belegen, dass diese Maßnahmen sowohl sozial- als auch kulturpolitisch kontraproduktiv sind:
1. Soziale Ungleichheit: Die geplanten Erhöhungen der Kosten für die Nutzung städtischer Sportstätten sowie die Kürzungen von Förderungen werden die Sportvereine zwingen, diese Mehrbelastungen auf ihre Mitgliedsbeiträge umzulegen. Dies wird dazu führen, dass Sport in Halle weniger egalitär wird. Besonders Menschen mit geringen Einkommen werden sich tendenziell von den Vereinen abwenden oder es sich nicht leisten können, sich oder ihre Kinder anzumelden.
2. Ehrenamtliche Strukturen und Effizienz: In einem Bereich, der stark von ehrenamtlichem Engagement getragen wird, sind Kürzungen oder die Einführung von Kosten nicht sinnvoll. Die kommunalen Förderungen und Ressourcenbereitstellungen sind hier besonders effizient, wenn es darum geht, sozial- und kulturpolitische Ziele zu erreichen. Zudem führt die Einführung von Gebühren und Betriebskostenbeteiligungen zu zusätzlicher Bürokratie und damit zu einer Erhöhung der Belastung für das Ehrenamt. Dies könnte die Motivation und das Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeitenden gefährden.
3. Rückständigkeit in der Sportentwicklung: Die Stadt Halle ist auch 34 Jahre nach der Wende im Vergleich zu anderen Städten hinsichtlich der Sportentwicklung rückständig. Während im bundesweiten Durchschnitt 30 % der Bevölkerung in Sportvereinen organisiert sind, sind es in Halle lediglich 19 %. Auch wenn die Entwicklung der letzten 10 Jahre positiv war, ist der Weg zur Erreichung von Normalität noch lang.
4. Gesundheitsförderung: Laut Studien ist das Gesundheitsverhalten der Hallenser:innen im bundesweiten Vergleich besonders schlecht, und die Lebenserwartung ist gering. Die Sportvereine spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung eines aktiven und gesunden Lebensstils. Anstatt diese wertvolle Ressource zu belasten, sollten wir sie stärken.
5. Widersprüchlichkeit zum Stadtratsbeschluss: Im Jahr 2023 haben Sie auf unsere Argumente reagiert und die Transferleistungen um 250.000 € erhöht, um die Belastungen der Sportvereine zu mindern. Es ist inkonsequent, diese Förderung im aktuellen Haushaltsentwurf zu konterkarieren, insbesondere da der Vereinssport in Halle schon in den 1990er und 2000er Jahren mit der Pacht/Miete von 50 städtischen Sportanlagen einen erheblichen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet hat. Die damaligen Entscheidungen wirken Jahr für Jahr und entlasten den Haushalt der Stadt nachhaltig. Diese Leistungen müssen im Längsschnitt betrachtet werden, und eine neuerliche Belastung wäre unfair.
6. Studie zur Kinder- und Jugendentwicklung: Die Hallesche Kinder- und Jugendstudie 2024, durchgeführt vom Deutschen Jugendinstitut im Auftrag der Stadt, zeigt auf, dass sportliche Angebote für viele Jugendliche von großer Bedeutung sind. Birgit Reißig, eine der Autorinnen der Studie, betont: „Der Sport schlägt alle.“ Diese Ergebnisse sollten bei der sozial- und kulturpolitischen Entscheidungsfindung Berücksichtigung finden, insbesondere angesichts der Tatsache, dass 41 % der Jugendlichen in Halle in prekären Verhältnissen leben und die Zufriedenheit mit Freizeitangeboten oft unzureichend ist (MZ vom 27.09.2024, S. 15).
7. Angemessenheit der Kosten: Laut dem Sportfördergesetz LSA sind Betriebskostenbeteiligungen nur zulässig, wenn sie angemessen sind. Der aktuelle Haushaltsplanentwurf enthält jedoch keine Aussagen zur Angemessenheit dieser Kosten. Aus Sicht des Stadtsportbundes sind diese Beträge viel zu hoch und nicht gerechtfertigt.
8. Widerspruch zu Förderrichtlinien: Die Einführung von Gebühren oder Betriebskostenbeteiligungen steht im Widerspruch zu den Zielen der Sportförderrichtlinie der Stadt Halle, die hauptsächlich Sportvereine mit eigenen Sportanlagen fördert. Sportvereine, die städtische Sportstätten nutzen, waren bisher auf die kostenfreie Bereitstellung angewiesen. Die neuen Gebühren würden diese Vereine faktisch benachteiligen.
9. Vorlaufzeit für Anpassungen: Die Einführung von Kosten für die Sportstättennutzung trifft die Sportvereine zur Unzeit. Sie benötigen ausreichend Zeit, um ihre Mitgliedsbeiträge anzupassen und ihre Mitglieder darüber zu informieren. Ein Vorlauf von mindestens einem Jahr wäre notwendig, um diese Veränderungen sinnvoll umzusetzen.
Wir appellieren an Sie, die geplanten Belastungen der Sportvereine im Haushaltsentwurf 2025 zu überdenken und die oben genannten Aspekte in Ihre Entscheidungen einzubeziehen. Sportvereine sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Gemeinschaft, und ihre Stärkung sollte unser gemeinsames Ziel sein.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und stehe für weitere Gespräche zur Verfügung. Um die konkreten Auswirkungen anschaulich darzustellen, werden wir unsere Mitgliedsvereine informieren und sie bitten, die voraussichtlichen Mehrbelastungen zu quantifizieren.
Mit freundlichen Grüßen,
René Walther Oliver Thiel
Präsident Geschäftsführer
Stadtsportbund Halle e.V. Stadtsportbund Halle e.V.