AfD - Evelyn Nitsche

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AfD - Evelyn Nitsche
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Interview mit Evelyn Nitsche zur Bundestagswahl 2017 für den Stadtsportbund Halle (Saale) e. V.

„Vollstes Vertrauen in die Vereine. Sie können am ehesten abwägen, wie Mittel eingesetzt werden sollten!“

Frau Nitsche öffnet mir die Tür und begleitet mich die Treppen hinauf. Die 61-jähirge Hallenserin ist eine zierliche und offenkundig sportliche Person. Ich interviewe sie im Wahlkampfbüro der AfD.

Frau Nitsche, weshalb engagieren Sie sich politisch?
Ich war mein Leben lang ein kritischer Mensch. Mit dem diktatorischen System der DDR hatte ich Schwierigkeiten. Nach der Wende gewann ich zunehmend den Eindruck, der Einfluss der Bevölkerung auf die Geschicke dieses Landes ist auf die Abgabe der Stimme begrenzt. Mit meinem politischen Engagement möchte ich meinen Beitrag leisten, um das Land, das wir von unseren Vorfahren in einem guten Zustand erhalten haben, für unsere Kinder und Enkelkinder zu bewahren. Seit Mai 2016 bin ich „Vollblutpolitikerin“. Ich arbeite für Alexander Raue, einem unserer Abgeordneten im Landtag Sachsen-Anhalts. Zuvor war ich selbständige Textilgroßhändlerin und vor der Wende Zahntechnikerin.

Was erwarten Sie von der Bundestagswahl im September?
Ich leiste meinen Beitrag für eine möglichst starke Opposition im Bundestag durch die AfD. Natürlich empfehle ich mich den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Wahlkreis. Meine Partei und die Freundinnen und Freunde unserer Politik werden bis zum Wahltag um das Direktmandat kämpfen.

Sie sind eine sportliche Erscheinung. Was tun Sie dafür?
Das Fahrrad ist meine Leidenschaft. Ich versuche das Auto möglichst zu ersetzen, wenn es nicht gerade in Strömen regnet oder die Route zu unsicher ist.

Und wie sieht es mit Sport im Verein aus?
Ich bin Schützin. Ich liebe diesen Sport, weil er mir hilft, den Kopf frei zu bekommen. Das Ziel in den Fokus zu nehmen und alles um mich herum auszublenden, ist ungemein entspannend. Ich bin Mitglied im Schützenverein GKSV St. Michael e.V. Ich lasse mich gern coachen. Beherzigt man die Tipps des Trainers, verbessert sich die Trefferquote.

Mit welchen Waffen schießen Sie und haben Sie es zu sportlichem Ruhm gebracht?
(lacht…) Ich schieße mit der Lang- und der Kurzwaffe. Wenn ich ausgeglichen bin, treffe ich gut. Beim letzten Wettkampf landete ich nicht im Vorderfeld. Trotzdem bin ich zufrieden. Ich kann auch gut verlieren.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen, wenn Sie an den Vereinssport denken?
Alle Kinder aus armen Verhältnissen sollten die Möglichkeit haben, am Sport- und Sozialleben der Vereine teilzuhaben. Probleme sehe ich v.a. hinsichtlich der Kosten für Wettkämpfe, Trainingslager und für die Ausstattung mit Sportbekleidung. Es ist untragbar, wenn Kinder einer Trainingsgruppe nicht am Wettkampf teilnehmen können, weil die Eltern die Fahrt- und Übernachtungskosten nicht tragen können. Zudem gibt es einige Vereine, bei denen die 10 € Stütze für den Vereinsbeitrag nicht reicht. 

Mit geringen Vereinsbeträgen allein ist es nicht getan. Welchen Lösungsansatz sehen Sie?
Der Staat muss in die Pflicht genommen werden. Das Bildungs- und Teilhabepaket hat einen unschönen Fehler. Die Eltern müssen sich als Bittsteller an den Verein und das Amt wenden. Besser wäre es, wenn seitens des Staates Steuergelder an die Vereine weitergeleitet werden. Sie hätten es dann in der Hand, die Mittel für eine Entlastung sozial benachteiligter Elternhäuser einzusetzen. Ich habe vollstes Vertrauen in die Vereine. Sie können am ehesten abwägen, wie die Mittel eingesetzt werden sollten. Natürlich wird die Einkommenssituation der Eltern eine Rolle spielen. Es hätte aber einen vertraulicheren Charakter. 

Bundesstützpunkte in Halle werden vielleicht geschlossen. Welche Meinung haben Sie dazu?
Ich lehne die Schließung ab. Die Bundesstützpunkte sind über Jahrzehnte gewachsen und basieren auf einer breiten Leistungssportkultur in Halle. Mit Schließungen wird wertvolles Wissen und Engagement verloren gehen. Sportstätten werden in ihrer Nutzung in Frage gestellt. 

Die Mittel sollen konzentriert werden, um die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands im internationalen Sport zu erhalten...
Ich sehe wenig Sinn darin, die Vielfalt des Spitzensports einzuschränken. Wenn Sportarten im Spitzenbereich nur noch in wenigen Regionen in Deutschland betrieben werden, reißt der Bezug zur Bevölkerung ab. Besser wäre es, wenn der Bund den DOSB und die Spitzenverbände mit Mitteln ausstattet, die nötig sind, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Das soll nicht heißen, dass über Jahre erfolglose Bundesstützpunkte ihrer selbst willen am Leben erhalten werden sollen. Das Leistungsprinzip muss gelten, gerade im Spitzensport. Ich lehne einen am grünen Tisch entschiedenen Kahlschlag ab. Andere Nationen haben nachgezogen und erfolgreiche Leistungssportsysteme aufgebaut. Trainer, auch deutsche Trainer, arbeiten international. Sportler aus immer mehr Staaten erringen Spitzenplätze, was im Sinne der olympischen Idee gut ist. Kahlschlag passt nicht zum Anspruch, Deutschland in der Spitze der Sportnationen zu halten. Es muss schlicht Geld in die Hand genommen und sinnvoll ausgegeben werden. Dabei sollte die Politik den Wunsch der Bevölkerung und die Situation der Kommunen berücksichtigen.

Sollte Deutschland Großsportveranstaltungen wie Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften ausrichten?
Diesem Thema steht die AfD, stehe ich, sehr aufgeschlossen gegenüber. Deutschland sollte die Welt zu Gast haben, wenn die innere Sicherheit gewährleistet ist und Sportstättenbauten nach den Veranstaltungen durch die Bevölkerung sinnvoll nachgenutzt werden können. Was die innere Sicherheit betrifft, haben wir Sorge, dass die Sicherheitskräfte den durch den internationalen Terrorismus gestiegenen Anforderungen immer weniger gerecht werden können. Wir fordern daher eine deutliche Verbesserung der personellen und materiellen Ausstattung.

Wird es dann für die Veranstalter teurer?
Nein, das Gewaltmonopol hat der Staat auszuüben. Dafür stehen ihm Steuermittel zur Verfügung.

Apropos Finanzen: Sportveranstaltungen belasten den Steuerzahler. Ohne Förderung sind sie nicht finanzierbar…
… Deshalb ist es so wichtig, dass der Spitzensport einen Bezug zu möglichst breiten Schichten der Bevölkerung in möglichst vielen Regionen hat. Die Steuern werden von der Bevölkerung aufgebracht. Großsportveranstaltungen sollten eine breite Zustimmung in der Bevölkerung haben. Dann ist es vertretbar, langfristig finanzielle Spielräume einzuplanen.

Wie schätzen sie die Situation in Halle ein?
Chemiepokal, Werfertage und Mitteldeutscher Marathon sind tolle Veranstaltungen. Es ist Zeit die Weichen so zu stellen, dass mittelfristig auch internationale Spitzenveranstaltungen in Halle stattfinden können. Zurückhaltung beim Sportstättenbau war in den Jahrzehnten nach der Wende sicher angebracht. Im Ergebnis verfügt Halle über keine Sportstätte, die internationalen Ansprüchen genügt. Selbst Deutsche Meisterschaften können in Halle kaum organisiert werden. Als eine der bedeutenden Sportgroßstädte in Deutschland sollte man in Halle nicht nur gut trainieren, sondern international Gäste empfangen können. Das wird sich auch für die regionale Wirtschaft rechnen. Beginnen sollten wir mit der Ergänzung unserer bestehenden Anlagen. Z.B. denke ich an das Leichtathletikstadion in der Robert-Koch-Straße. Dort wäre mehr möglich, wenn es eine Überdachung der Tribüne gäbe.

Private Sportwettenanbieter z.B. bwin verdienen mit Wetten auf sportliche Leistungen Geld und treten in Konkurrenz zum staatlichen Lotto. Die Lottoförderung nimmt ab. Unterstützen Sie die Forderung des DOSB für ein Veranstalterschutzrecht?
Ja, Unternehmen, die mit Sportwetten Geld verdienen, müssen in die Verantwortung genommen werden, den Sport zu unterstützen. Es kann nicht sein, dass Sportveranstalter das Geschäft der Wettanbieter kostenfrei ermöglichen.

Der DOSB fordert vom Bund 500 Mio. € jährlich für den Sportstättenbau…
Die Forderung ist in Ordnung, allerdings sollten an erster Stelle Kommunen mit Sanierungs- und Modernisierungsstau stehen. Wenn es um den Bau von Sportstätten geht, die internationalen Standards genügen, sollte geschaut werden, wo Nachholbedarf besteht, z.B. in Halle.

Mit der Umsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie der EU in nationales Recht könnten Vereinsbeiträge steuerpflichtig werden. Wie steht die AfD dazu?
Die AfD wird eine Besteuerung von Vereinsbeiträgen gemeinnütziger Sportvereine ablehnen. Wir verfolgen die Politik, die Vereinsbeiträge mit staatlicher Unterstützung möglichst niedrig zu halten. Die Bevölkerung soll ohne Ansehen der sozialen Herkunft im Verein Sport treiben können. Es wäre widersinnig, auf der einen Seite auf das ehrenamtliche Engagement zu setzen und auf der anderen Seite Steuern einzunehmen.
Meine besondere Achtung gilt den Ehrenamtlichen. Sie opfern sich in ihrer Freizeit für andere auf. Der Staat sollte die Bürokratie auf ein nötiges Minimum abbauen, um diesen Menschen das Engagement zu erleichtern. Das gilt übrigens nicht nur für den Sport, sondern für viele soziale, sportliche und kulturelle Bereiche. Privat bin ich sehr dem Tierschutz zugeneigt und kenne die Biografien der Menschen, die sich tagtäglich für Tiere engagieren.

Wohlstandserkrankungen werden in den Medien in einem Atemzug mit Bewegungsmangel genannt. Ist es Zeit für ein nationales Gesundheitsziel „Bewegungsmangel reduzieren“?
Ich bin keine Freundin staatlicher Reglementierung. Die Bürgerinnen und Bürger wissen selbst, was sie im Eigeninteresse zu tun und zu lassen haben. Allerdings ist es Aufgabe des Staates, mit Steuermitteln die Rahmenbedingungen für die Bevölkerung zu schaffen. Das Auto stehen zu lassen und stattdessen mit dem Rad zu fahren ist nur dann sicher möglich, wenn das Radnetz ausgebaut ist. Nach meiner Erfahrung besteht hier Handlungsbedarf. Besonderen Schutz sollten Kinder und Senioren genießen. Wenn ein nationales Gesundheitsziel hilft, die Finanzierung der Sportvereine zugunsten dieser Zielgruppen zu verbessern, dann wird das Thema von der AfD politisch unterstützt werden. Zu denken ist z.B. an den Ausbau der Kooperationen zwischen Kindergärten, Schulen und Sportvereinen.

Beim Sport kommen Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen. Der DOSB fordert vom Bund, den Sport finanziell stärker zu unterstützen, wenn es um soziale Herausforderungen geht.
Ja und es geht aus Sicht der AfD auch bei diesem Thema um Rahmenbedingungen. Wenn es z.B. um die Teilhabe von Behinderten geht, sehe ich den Staat in der Pflicht, möglichst alle Sportstätten behindertengerecht auszubauen. Ich schätze den Behindertensport und sehe den besonderen Bedarf, an sportlicher Gemeinschaft teilzuhaben. Auch die Leistungen der Sportvereine bei der Integration von Migranten sind beachtlich. Wenn Menschen anderer Herkunft den Weg in unsere Vereine finden und sich eingliedern wollen, ist das zu begrüßen. Reglementierung stehen wir grundsätzlich, also auch bezogen auf dieses Thema, skeptisch gegenüber. Es muss Sache der Vereinsvorstände bleiben, einzuschätzen ob Menschen aufgrund ihrer sportlichen Leistung oder ihres Wunsches, sich sportlich zu betätigen, zur Gemeinschaft im Verein passen.

Nachgehakt, Frau Nitsche, wie stehen Sie zum Engagement von Sportvereinen, Muslime staatlich unterstützt weiterzubilden? Z.B. lernen Menschen aus dem arabischen Kulturkreis bei der DLRG schwimmen.
Ich finde Schwimmfähigkeit sehr wichtig. Sie rettet Leben. Muslimen, die schwimmen lernen wollen und bereit sind, sich an die Badeordnung zu halten, soll die Möglichkeit eingeräumt werden. Ich denke dabei v.a. an die Sicherheitsvorschriften, die in Deutschland strenger sein dürften, als in den Herkunftsländern. Bezogen auf die Finanzierung gilt für die AFD der Grundsatz, dass der Staat mit Steuergeldern Sportvereine unterstützen sollte, um die Teilhabe an der Gemeinschaft unabhängig von Geldbeutel und Herkunft zu ermöglichen.

Staatsziel Sport ins Grundgesetz?
Aufgabe des Staates ist der Einsatz von Steuermitteln zur Schaffung von Rahmenbedingungen und zur Finanzierung der Sportvereine. Welcher Sport stattfindet, sollte grundsätzlich keine Frage sein, die sich der Staat stellt. Ein Staatsziel sollte also nicht Grundlage für Einflussnahme durch den Staat sein. Ich sehe den Staat als Mittler im Interesse des Souveräns, d.h. des Volkes. Welche eigenen Ziele sollte der Staat bezogen auf den Sport verfolgen? Ziele verfolgen die ehrenamtlich geleiteten Sportvereine für ihre Mitglieder. Ihnen gilt das Vertrauen der AFD.

Das Interview führte Oliver Thiel, Geschäftsführer des Stadtsportbundes Halle e.V.

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